Grüner Wasserstoff für Industrie: Wind- und Solarparks müssten massiv ausgebaut werden

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Magdeburg/MZ – Um Sachsen-Anhalts Wirtschaft unabhängiger von Erdgas zu machen, soll in den kommenden Jahren eine klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft aufgebaut werden. „Wir könnten einen beträchtlichen Anteil der klimafreundlichen Energie selbst im Land erzeugen und wären nur noch bedingt auf Energieimporte angewiesen“, sagte Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung einer Wasserstoff-Studie.

Grüner Wasserstoff wird mit Wind- und Solarstrom hergestellt

Das Kölner Beratungsunternehmen r2b energy hat ein Gutachten erstellt, welches die Effekte einer Wasserstoffwirtschaft untersucht. Studienautor Lukas Strickling erläutert die Ausgangslage: Aktuell benötige vor allem die Industrie in Sachsen-Anhalt Erdgas als Rohstoff. Jährlich würden zehn Gigawattstunden Wasserstoff aus Erdgas produziert. Dieser werde vor allem in der Chemie eingesetzt.

Wir wären nur bedingt auf Energieimporte angewiesen.

Armin Willingmann, Energieminister in Sachsen-Anhalt

Künftig soll der Wasserstoff in sogenannten Elektrolyseuren hergestellt werden, die – vereinfacht dargestellt – mittels Ökostrom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Fachleute sprechen von grünem Wasserstoff. Bis 2030 sollen im Land Elektrolyseure mit einer Leistung von 1.661 Megawatt aufgebaut werden, bis 2045 mit einer Leistung von 8.029 Megawatt.

Wasserstoff-Elektrolyse in Sachsen-Anhalt soll ausgeweitet werden

Die Anlagen sollen überschüssigen Solar- und Windstrom nutzen, der beim Ausbau der erneuerbaren Energien anfällt. Der grüne Wasserstoff wäre vor allem für die Industrie. Zum Heizen für Haushalte wäre er laut Studienautor wohl zu teuer.

Derzeit gibt es in Sachsen-Anhalt solche Elektrolyseure jedoch noch nicht. Der Konzern Linde nimmt aktuell eine 24-Megawatt-Anlage im Chemiepark Leuna in Betrieb. Auch in Bad Lauchstädt (beide Saalekreis) ist eine 30-Megawatt-Anlage geplant. Vom gesteckten Ziel für 2030 ist das Land jedoch weit entfernt. Strickling bezeichnet die Ziele daher auch als „ambitioniert“.

Linde produziert in Leuna aus Erdgas Wasserstoff. Künftig soll auch grüner Wasserstoff aus mit Hilfe von Wind- und Sonnenstrom hergestellt werden.
Linde produziert in Leuna aus Erdgas Wasserstoff. Künftig soll auch grüner Wasserstoff aus mit Hilfe von Wind- und Sonnenstrom hergestellt werden.

Foto: IMAGO/imagebroker

Hohe Kosten: Kritik an Plänen für Grünen Wasserstoff in Sachsen-Anhalt

Energieexperte Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnet den Plan, massive Elektrolyseur-Kapazitäten in aufzubauen, als zu teuer und daher falsch. Grünen Wasserstoff in Deutschland zu produzieren, sei kostenintensiv. Der Wasserstoff sollte besser in Form von Methanol aus sonnenreichen Regionen der Erde importiert werden. Martin Wolter vom Lehrstuhl für Elektrische Netze und Erneuerbare Energie der Uni Magdeburg, erläutert das Problem:

„Elektrolyseure sind sehr teuer, damit sie sich wirtschaftlich rentieren, müssen sie möglichst rund um die Uhr laufen.“ Da hierzulande aber nur begrenzt überschüssiger Ökostrom zur Verfügung stehe, sei mit Einsatzzeiten von 1.000 bis 2.000 Stunden im Jahr zu rechnen. „Die doppelte Stundenzahl ist aber nötig, um wirtschaftlich zu arbeiten“, so Wolter. Das sei auch der Grund, warum sich bisher alle großen Energieunternehmen mit solchen Projekten zurückhalten.

Auch Sachsen-Anhalts Energieminister Willingmann betont, dass Bund und Land nur Anschubfinanzierungen geben könnten. Bis 2030 soll ein sogenanntes Wasserstoff-Kernnetz deutschlandweit aufgebaut werden. In Sachsen-Anhalt würden vor allem die Chemiezentren in Leuna, Bitterfeld-Wolfen, Wittenberg und Zeitz angeschlossen (siehe Grafik). Laut Willingmann wird Sachsen-Anhalt dafür 58 Millionen Euro und der Bund 130 Millionen Euro investieren. Die Mittel seien gesichert.

Düngemittel-Hersteller SKW Piesteritz will klimaneutral werden

Die großen Chemieunternehmen dringen auf einen Anschluss. Der Düngemittel-Hersteller SKW Piesteritz aus Wittenberg will in den kommenden Jahren am Standort 400 Millionen Euro investieren, um klimaneutral zu produzieren. Dazu benötigt das Unternehmen große Mengen grüner Gase. Die Frage ist: Können und sollten diese in Sachsen-Anhalt produziert werden?

Laut r2b-energy-Studie hat Sachsen-Anhalt das Potenzial, bis 2045 etwa 75 Prozent des benötigten grünen Wasserstoffs selbst zu produzieren. Dazu müssten neun Gigawatt Windstrom und 6,8 Gigawatt Solarstrom installiert werden.

Zum Vergleich: Derzeit liegt die landesweit installierte Leistung aller Windkraftanlagen bei 5,3 Gigawatt, die von Solaranlagen bei 4,3 Gigawatt. „Da die neuen Windräder immer leistungsfähiger werden, ist ein solcher Ausbau realistisch“, so Strickling.

Energieminister Willingmann: Nicht mehr politisch erpressbar sein

Energieminister Willingmann betont: Durch den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft könnten 27.000 neue Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt entstehen. Auch aus sicherheitspolitischen Gründen sieht Willingmann Vorteile: „Der Versuch Russlands, Deutschland energiepolitisch zu erpressen, sollte uns eine Warnung sein.“

Energieexperte Frondel sieht das anders: „Es wird weltweit viele Anbieter von grünem Wasserstoff geben, Deutschland darf sich selbstverständlich nicht wieder einseitig abhängig machen.“ Günstige Wasserstoffimporte würden der Industrie in Sachsen-Anhalt aber mehr helfen als eine teure Produktionsinfrastruktur aufzubauen.

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