Der Dompteur der Massen – Wie eine Pleite zur Weltmacht wurde

0

Halle/MZ.Die erste Idee war recht lustig, die Umsetzung aber komplett illegal. Mark Zuckerberg, gerade 19 Jahre alt und Student an der altehrwürdigen Harvard-Universität, hatte sich mit seiner Internetseite namens Facemash wohl auch ein bisschen rächen wollen an Kommilitonen, die ihn, den dünnen, linkischen Jungen mit dem IQ von über 150, als Nerd verspotteten. Ein Spaß, getarnt als Klickwettbewerb für jedermann.

Facemash funktioniert nach dem Prinzip Hot or Not: Besucher können die Fotos von Studentinnen bewerten. Fotos, die Zuckerberg aus der Uni-Datenbank übernommen hat. Ein Skandal, der schnell zur Abschaltung von Facemash führt und beinahe zur Exmatrikulation des Erfinders.

Mark Zuckerberg aber, Sohn eines Zahnarztes und einer Psychotherapeutin aus New York, darf dann doch bleiben. Statt sich nun in sein Studium zu werfen, steckt er die Köpfe mit ein paar Gleichgesinnten zusammen. Und im Februar vor 20 Jahren ist es soweit: „thefacebook.com“ geht online. Die Seite richtet sich ausschließlich an Havard-Studenten und verspricht, ihnen als „Informationsverzeichnis“ zu dienen.

Start mit Abschaltung

Den Begriff soziales Netzwerk gibt es noch nicht. Dass Menschen zu Milliarden das Bedürfnis haben könnten, sich im Internet in Gruppen zusammenzufinden, Freundeslisten zu führen, fiebrige Debatten auszutragen, Bilder, Gefühle und Meinungen zu teilen, ahnt nicht einmal der Erfinder des ersten sozialen Netzwerks, das bis heute das mit Abstand größte ist. Fast zwei Jahre lang ist Mark Zuckerberg zufrieden damals damit, seine Mitstudenten zu vernetzen. Dann wird Facebook, nun ohne „the“, für alle Interessenten auch außerhalb der Universität freigeschaltet.

Es ist der Beginn einer der größten Erfolgsgeschichten des Online-Zeitalters. 20 Jahre nach dem Startschuss Anfang Februar 2004 hat Facebook, das sich heute Meta nennt, rund drei Milliarden Nutzer, zwei Milliarden besuchen Facebook täglich. Ihnen und den Milliarden, die Whatsapp, Instagram und den Facebook-Messenger benutzen, verdankt die Firma im vorigen Jahr 116 Milliarden Dollar Umsatz und 23 Milliarden Gewinn. Meta ist an der Börse mehr wert als die zehn größten deutschen Unternehmen. Zuckerberg, dem immer noch rund ein Viertel von Meta gehört, ist laut der aktuellen Liste von Forbes mit 126,5 Milliarden US-Dollar Privatvermögen der fünftreichste Mensch des Planeten.

Geplatzter Traum vom „Metaversum“

Dabei hat der noch immer jungenhaft wirkende Unternehmer längst nicht alles richtig gemacht. Vor drei Jahren etwa kündigte er an, rund um Facebook ein „Metaversum“ errichten zu wollen. Eine neue Technologie sollte das echte Leben eins zu eins in den virtuellen Raum übersetzen. Mit Hilfe von 3D-Brillen würden Nutzer dort ein Online-Leben führen können, das nicht mehr zwei-, sondern wie die richtige Welt dreidimensional sein würde. „Oculus“- und „Quest“-Brillen sollten es erlauben, gemeinsam zu tanzen und zu singen, Partys zu feiern, Yoga-Kurse von daheim zu absolvieren und in Spiele einzutauchen, die sich anfühlen würden, als erlebe der Spieler sie in Wirklichkeit.

Eine große Wette, die Meta Milliarden gekostet hat, bis heute aber nicht aufgegangen ist. Doch die Propheten, die Facebook an den teuren Visionen des Firmenchefs scheitern sahen, irrten ebenso. Zuckerbergs Imperium hat die früher häufigen Vorwürfe, eine Hassmaschine für Rechtsextreme zu sein, ebenso überstanden wie etliche Versuche der eigenen Neuerfindung.

Ja, die Nutzer sind heute mit im Schnitt 33 Jahren deutlich älter als früher, aber umso treuer. Nur noch ein Drittel der 16- bis 19-Jährigen meldet sich überhaupt auf Facebook an, weil Alternativen wie TikTok und Instagram angesagter sind. Doch Instagram gehört zur Familie. Das hilft dem Dompteur der Milliarden, sein Riesenreich für neue Herausforderungen fit zu machen.

Zukunft mit künstlicher Intelligenz

Die sieht der 39-Jährige vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz. Microsoft und Google sind hier führend, Tesla-Chef Elon Musk hat mit seiner KI-Firma xAI „Grok“ ins Rennen geschickt. Die Meta AI kam spät zur Party, bis heute ist der Bild-Generator Imagine nicht für alle Mitglieder nutzbar, auch der angekündigte Chatbot für Whatsapp ist bisher nur ein Versprechen, das erst noch an den strengen EU-Vorgaben vorbeikommen muss.

Mark Zuckerberg, der mit Facebook nicht ein Unternehmen gegründet, sondern eine vollkommen neue Branche erfunden hat, ist freilich schon weitergeeilt. Sein Ziel sei es, eine allgemeine künstliche Intelligenz zu entwickeln, also einen zu Überlegungen fähigen Computeralgorithmus, der weder durch technische Beschränkungen noch durch thematische Grenzen an einer Weiterentwicklung gehindert werde. „Ich habe keine klare Definition, was es ist“, hat Zuckerberg im US-Magazin „The Verge“ beschrieben. Aber entscheidend sei auf jeden Fall „die Breite des Ganzen, nämlich dass Intelligenz über all diese unterschiedlichen Fähigkeiten verfügt, vernünftig zu denken und Intuition zu haben“.

Zuckerberg, der seit 2012 mit der Kinderärztin Priscilla Chan verheiratet ist, drei Kinder hat und in Palo Alto südlich von San Francisco lebt, ist bereit, dafür Milliarden zu investieren. Bis Ende dieses Jahres werde Meta seinen Bestand an Tensor-Recheneinheiten der vierten Generation auf 350.000 Stück erhöhen, hat er gerade angekündigt.

Die große KI-Wette

Diese Grafikprozessoren von Nvidia gelten als Kraftpakete, ohne die KI nicht möglich ist. Ein solcher H100 kostet um die 27.000 Euro. Meta gibt allein in diesem Jahr rund zehn Milliarden Dollar aus, um seine Datenbanken aufzurüsten. Deutschland plant mit 2,5 Milliarden Euro im Jahr für KI. Dazu kommen 120 EU-Millionen für die 27 Mitgliedsstaaten.

Meta aber sieht sich gar nicht im Wettlauf mit Staaten oder der EU, sondern auf einer Mission, um die Welt zu retten. Während alle anderen Giganten planten, die Algorithmen ihrer KI abzuschotten und ein Geschäft damit zu machen, verfolge Meta eine offene Vision, versichert „Zuck“, wie sie ihn nennen. „Wir werden auf Open Source setzen“, hat er angekündigt. Mit einem Fuß in der Hintertür: Das gelte natürlich nur, „solange es sinnvoll, sicher und verantwortungsvoll ist“.Weitere Informationen:

imagine.meta.com

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.