Mit Video: Ostbeauftragter Schneider fordert Pragmatismus für Zukunftszentrum in Halle

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Halle/MZ – Basil Kerski hatte den weitesten Weg. Vom polnischen Danzig aus war der Direktor des Solidarnosc-Zentrums eigens nach Halle gereist, um am Mittwochabend im bestens besuchten MZ-Medienhaus an einer Diskussionsveranstaltung des Vereins Pro Halle teilzunehmen, einem Verbund der regionalen Schrittmacher in Sachen Wirtschaft und Politik. Das Thema der Veranstaltung: die Zukunft des Zukunftszentrums in Halle.

Für dieses Projekt gilt das Europäische Solidarnosc-Zentrum als ein taugliches Modell. Und Kerski, der als Jury-Mitglied über den Standort des Zukunftszentrums mitentschied, ist heute dessen prominentester internationaler Fürsprecher. In Halle hält er den Impulsvortrag: politisch klar, sachlich zupackend.

Im Video: Die Zukunft des Zukunftszentrums in Halle – Highlights der Podiumsdiskussion

 

Zusammenschnitt von der Podiumsdiskussion am Mittwoch in Halle zum Zukunftszentrum. (Video: MZ/Anna Lena Giesert)

Der polnisch-deutsche Politikwissenschaftler setzt für den Bau auf den Brückenschlag zwischen Deutschland und Osteuropa, auf den Geist von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der die Arbeit des Zentrums tragen müsse. Er wünscht sich, dass in Halle das Epochenjahr 1989 nicht allein deutsch, sondern international begriffen werde.

Wie in Danzig solle ein übernationales Europa gestärkt werden über die Erinnerung an dessen „Gründerjahre“ 1945 und 1989. Er zitiert die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann: „Ohne ein gemeinsames Wissen von der doppelten Gründung Europas kann Europa nicht existieren, keine Krisen bewältigen und sich nicht erneuern.“

Visionen für das Zukunftszentrum in Halle

Sachlich setzt Kerski auf drei Säulen: Wissenschaft und Forschung, Dauerausstellung, gesellschaftliche Teilhabe. Ohne eine starke Dauerausstellung werde es schwierig, Besucher anzuziehen, sagt Kerski. In den bislang bekannten Plänen zum Bau, der 2029 am Riebeckplatz öffnen soll, sah man das noch nicht so entschieden. Kerski wünscht sich eine Ausstellung, die das Jahr 1989 als ein gesamteuropäisches Ereignis zeigt.

Nur dreieinhalb Jahre brauchte man in Polen für den Bau, dessen Gestalt die Danziger Werft zitiert. Warum ging es so schnell? „Die Stadt Danzig wollte den Bau“, sagt Kerski, „die anderen Partner sprangen dann auf.“ Warum so spät? Weil es schwer sei, einen Erinnerungsort zu gestalten, so lange die Zeitzeugen leben. Konflikte seien da programmiert.

Die Männer, die neben Kerski auf dem von Thomas Bille (MDR) moderierten Podium sitzen, haben alle das Solidarnosc-Zentrum besucht: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der Ostbeauftragte des Bundes, Carsten Schneider (SPD), und der hallesche Bürgermeister Egbert Geier (SPD). Nun muss man selber bauen.

Diskussionsrunde im MZ-Medienhaus zur Zukunft des Zukunftszentrums in Halle: Halles  Bürgermeister Egbert Geyer (SPD), Ostbeauftragter Carsten Schneider (SPD), Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Solicarnosc-Zentrum-Direktor Basil Kerski aus Danzig und Moderator Thomas Bille (MDR, von links)
Diskussionsrunde im MZ-Medienhaus zur Zukunft des Zukunftszentrums in Halle: Halles Bürgermeister Egbert Geyer (SPD), Ostbeauftragter Carsten Schneider (SPD), Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Solicarnosc-Zentrum-Direktor Basil Kerski aus Danzig und Moderator Thomas Bille (MDR, von links)

(Foto: Stedtler)

Der Stadtchef hat einen durchweg smarten, sehr engagierten Auftritt. „Wir sind nämlich sehr gut“, eröffnet Geier sein Statement. Unübersehbar: Hier schlägt seine Stunde. Nur zehn Monate, nachdem die Entscheidung für Halle gefallen ist, seien alle städtebaulichen Rahmenbedingungen geklärt, sagt er.

Straßen sollen verschoben oder umgeleitet werden, um am Riebeckplatz die neue deutsche Zukunftsinsel entstehen zu lassen. Kann es gelingen, während des Umbaus 90.000 Fahrzeuge am Tag an der Baustelle vorbei „zu kneten“, fragt Thomas Bille. Ja, sagt Geier. Und wenn es viel teurer werde als gedacht? Springt dann das Land bei? „Bauarbeiten, die begonnen werden, müssen auch beendet werden“, sagt Reiner Haseloff.

Ministerpräsident Haseloff bei Kosten des Zukunftszentrums entspannt

Er sei da ganz gelassen. „Was habe ich nicht schon alles für Kostenprognosen hingelegt bekommen! Ich weiß ja, der nächste Knall kommt bestimmt.“ Aber hier baue der Bund. „Heißt das“, fragt Bille, „wer einmal angefangen hat, habe schon gewonnen?“ Offenbar.

Die 200 Millionen Euro allein für den Bau seien „jetzt save“, sagt Carsten Schneider. Das Ja zu Halle, habe die Stadt „für die Welt wachgeküsst“. Er hoffe auf Leute „mit Exzellenz“, die das Ganze gestalten.

Zunächst die Architektur, von der Vieles, wenn nicht fast alles abhängt. In diesem Jahr soll eine GgmbH gegründet werden, der Aufbaustab nach Halle ziehen, ein Flagship-Store – also ein Informationszentrum – eröffnen, im Frühjahr der Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden.

Realisierung des Großprojekts – mit welchem Inhalt?

Man baue nicht etwa zuerst eine Hülle und suche dann den Inhalt. Das laufe nebeneinander her. „Bloß kein Chichi“, also kein Getue, „oder nur Wissenschaft“ soll in Halle veranstaltet werden, sondern ein Bau für alle entstehen, auch für den Westen. Der Name Oschmann fällt. „Bitte keine ostdeutschen Selbstgespräche!“, wehrt Schneider mit Blick auf die Arbeit des Zukunftszentrums ab.

Und die erhoffte eine Million Besucher? Die Zahl stamme aus Zeiten, als er noch nicht beteiligt gewesen sei, sagt der Ostbeauftragte. „Sportlich“ sei sie, aber Kerski habe es ja auch geschafft.

Der sachsen-anhaltische Kulturminister Rainer Robra (CDU) hingegen hatte unlängst von nur 200.000 Besuchern gesprochen, wirft Thomas Bille ein. Was nun? „Die Zahl wird irgendwo in der Mitte liegen, wenn wir gut sind“, sagt Reiner Haseloff.

Zukunftszentrum in Halle: Wie hoch wird der Bau?

Der Regierungschef setzt ganz auf Zuversicht und Integration. Er will Deutschland und Europa, die Stadt Halle und deren Umland im Zukunftszentrum vereint sehen. Europa brauche eine „Plattform außerhalb der europäischen Tagespolitik“, sagt er, auf der sich dessen Akteure frei begegnen können, die Liberalen genauso wie die sogenannten Illiberalen. „Europa darf nicht auseinanderfliegen“, sagt er. In Halle könne es symbolisch zusammengehalten werden.

Das Zukunftszentrum: ein Prestige-Projekt auf Initiative des Bundes. Ein Geschenk an den Aufmerksamkeits-defizitären Osten. Interessant wird es erst, wenn es konkret wird. Wenn die „spektakuläre“ Architektur kommt, auf die alle setzen. Wenn der Programmdirektorenposten besetzt sein wird. Bis dahin ist Vieles Wünsch-dir-was oder politische Poesie.

Thomas Bille gibt den skeptischen Dreinredner. Wie hoch kann der Bau werden: laut Plan 84 Meter? Haseloff versteht 480. Nein, nein, sagt Bille, man müsse den Bau nicht bis Magdeburg sehen. Egbert Geier spricht von einer Höhe von bis zu 120 Metern.

Zukunftszentrum wird Halle verändern

Zwei Stunden dauert die Debatte, je länger, je launiger. Er wisse ja nicht, wie lange Thomas Bille noch beim MDR sei, sagt Reiner Haseloff zu dem Moderator. „Aber ich verspreche Ihnen, der Sender wird positiv über die Eröffnung berichten!“ Er sei 63, erwidert Bille, da ließe sich ausrechnen, wie lange er dabei sei. Nein, sagt Haseloff, er mache ja auch „länger“.

Fest steht: Der Großbau wird Halle verändern, so oder so. Dann doch besser zum Guten. Und vielleicht mit einer Wertschöpfung von jährlich 300 Millionen Euro, die Egbert Geier für den besten Fall hat errechnen lassen. „Pro Halle“ ist pro Optimismus. 2026 will sich die Runde wiedertreffen.

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